Chemotherapie

Mit dem Begriff „Chemotherapie“ ist in der Onkologie eine medikamentöse („systemische“) Therapie von Krebserkrankungen (antineoplastische Chemotherapie) gemeint. Die Chemotherapie verwendet Stoffe, die ihre schädigende Wirkung möglichst gezielt auf bestimmte krankheitsverursachende Zellen ausüben und diese abtöten oder in ihrem Wachstum hemmen. In der Krebstherapie heißen diese Substanzen Zytostatika Zytostatika (griechisch Cyto=Zelle und statik=anhalten). Bei der Behandlung bösartiger Tumorerkrankungen nutzen die meisten dieser Substanzen die schnelle Teilungsfähigkeit der Tumorzellen, da diese empfindlicher als gesunde Zellen auf Störungen der Zellteilung reagieren; auf gesunde Zellen mit ähnlich guter Teilungsfähigkeit üben sie allerdings eine ähnliche Wirkung aus, wodurch sich viele der unerwünschten Nebenwirkungen wie Haarausfall,  Durchfälle oder Veränderungen des Blutbilds erklären.

Bei der Krebstherapie mit monoklonalen Antikörpern und Zytokinen, wie beispielsweise Interleukinen und Interferonen, handelt es sich nicht um eine Chemotherapie, sondern um eine Krebsimmuntherapie.

Prinzipien der antineoplastischen Chemotherapie –
Log-cell-kill-Hypothese

Von der ersten entarteten Zelle bis zum nachweisbaren Tumor werden etwa 30 Zellteilungszyklen benötigt (= 109 Krebszellen mit 1 g Masse). Ein bestimmtes Zytostatikum kann immer nur einen bestimmten Anteil, z. B. 90 % der Zielzellen abtöten. Mit fortschreitender Behandlung bleibt dieser Anteil gleich, d. h. zwei Dosen erreichen 99 % der Zellen, drei Dosen 99,9 % usw. Dieser Mechanismus erklärt, warum eine Chemotherapie im Laufe der Behandlung nicht vermindert werden sollte, auch wenn der sichtbare Tumor bereits verschwunden ist. Die Chemotherapie wird in einer möglichst raschen Abfolge appliziert, um den Tumorzellen keine Zeit zur Erholung zu geben, andererseits sollen sich die gesunden Zellen ausreichend erholen können. Häufig werden zwei oder mehr Zytostatika kombiniert, um die Wirksamkeit zu erhöhen.

Eine Chemotherapie, welche mit der Zielsetzung einer langfristigen Tumorkontrolle verabreicht wird, also zu einer Heilung von dem Tumor führen soll, nennt man kurativ („heilend“). In der Onkologensprache wird mit dem Begriff „kurativ“ in der Regel gemeint, dass eine gute Chance besteht, eine Tumorkontrolle für mindestens 5 Jahre zu erreichen. Nach mehr als 5 Jahren ist es sehr unwahrscheinlich, dass der gleiche Tumor wieder auftritt.

Krebserkrankungen, welche aus dem blutbildenden System hervorgehen, zum Beispiel Leukämien, aber auch Lymphome, werden häufig ausschließlich mit Chemotherapie behandelt.

Adjuvant nennt man eine kurativ intendierte („beabsichtigte“) Chemotherapie, die den Erfolg nach einer vollständigen operativen Beseitigung des Tumors dienen soll.

Neoadjuvant wird eine kurativ intendierte („beabsichtigte“) Chemotherapie vor der operativen Beseitigung des Tumors genannt.

Eine Chemotherapie wird als palliativ therapeutisch bezeichnet, wenn sie unter der Zielstellung verabreicht wird, die Tumorerkrankung für möglichst lange Zeit zu kontrollieren bei einer möglichst hervorragenden Lebensqualität des Patienten. In einer solchen Situation liegt meist eine metastatische („gestreute“) Erkrankung vor, so dass eine vollständige Entfernung der Krebserkrankung nicht möglich ist. Beispiele sind Lungenkrebs- oder Brustkrebserkrankungen, die in andere Organe wie Knochen oder Leber metastasiert sind.

Resistenzen der Rumorzellen gegen einzelne oder mehrere der eingesetzten Zytostatika sind nicht selten. Außerdem sollte man während einer Chemotherapie nicht rauchen, da bei einigen Standard-Chemotherapeutika nachgewiesen wurde, dass ihre Wirkung durch Nikotin abgeschwächt wird. Resistenzen können viele Ursachen haben, beispielsweise verminderten Transport der Substanz in das Zellinnere oder erhöhten Transport aus der Zelle (Multiple Drug Resistance). Auch kann die Zelle inaktivierende Enzyme besitzen. Gute Durchblutung des Tumors (Angiogenese) führt wegen hoher Nährstoffversorgung zu schnellem Wachstum, aber auch zu besserem Ansprechen auf die Chemotherapie, da der Anteil der sich teilenden Zellen höher ist. Viele der durch die Zytostatika in den Zellen erzeugten Schäden setzen voraus, dass vorhandene Kontrollsysteme (beispielsweise p53) in den Tumorzellen noch aktiv sind und diese Fehler bemerken. Reparaturmechanismen (beispielsweise Exzisionsreparatur) dürfen hingegen nicht aktiviert sein, statt dessen muss ein kontrolliertes Absterben der Zelle eingeleitet werden. Resistenzen müssen frühzeitig erkannt werden, um Änderungen des Therapieregimes rechtzeitig wirksam werden zu lassen, sonst häufen sich Mutationen im Tumor an, die ihn schwerer kontrollierbar machen. Auch das Auffinden der für den speziellen Tumor optimalen Kombinationstherapie durch Labortests wird diskutiert und wurde erfolgreich eingesetzt.

Prinzipiell können bei der Chemotherapie zwei unterschiedliche Wege zur Bekämpfung der Krebszellen eingeschlagen werden. Mit Zytotoxinen soll die Apoptose, das heißt der programmierte Zelltod der malignen Zellen erreicht werden. Dies ist der in den meisten Fällen angestrebte Weg, um den Tumor zu eradizieren, das heißt vollständig aus dem Körper des Erkrankten zu beseitigen. Mit Zytostatika sind dagegen definitionsgemäß Substanzen, die Krebszellen nicht abtöten, sondern deren Zellwachstum bzw. Zellteilung (Proliferation) unterbinden. Konventionelle klassische Chemotherapeutika wirken im Wesentlichen zytotoxisch, während zielgerichtete neuere Therapien aus dem Bereich der Krebsimmuntherapie, wie beispielsweise monoklonale Antikörper, zytostatische Eigenschaften haben.